3.12.10

 

Arbeit paradox

Wie kein anderer Politikbereich ist die Arbeitsmarktpolitik von Ungereimtheiten, Paradoxien und Mythen durchdrungen:
Wie passt der wachsende Arbeitskräftemangel mit einem nach wie vor hohen Stand der Arbeitslosigkeit zusammen?
Was ist vom Mythos vom Ende der Arbeit zu halten, wenn wir uns gleichzeitig einem dynamischen Gründungsgeschehen bei mittelständischen Unternehmen der wissensbasierten Dienstleistungsökonomie gegenübersehen, deren Arbeitskräftebedarf nur schwer zu decken ist?
Wie passt die boomende Schattenwirtschaft mit schätzungsweise sechs bis acht Millionen Teilzeit-Jobbern und einer jährlichen Wertschöpfung in Höhe von 15 Prozent des Sozialprodukts mit der Behauptung zusammen, es gäbe in Deutschland nicht genügend Arbeit bei einfachen Dienstleistungen?
Wie ist es möglich, dass der ausufernde Sozialstaat, in dem Jahr für Jahr die Hälfte unseres Staatshaushalts versenkt wird, mit der These verteidigt wird, die rund sieben Millionen Hartz IV-Empfänger müssten vom Staat versorgt werden, weil es keine Beschäftigung für sie gäbe?
Es ist offensichtlich, dass sich diese Widersprüche auflösen, wenn man die hohe Unterbeschäftigung statt auf mangelndes Arbeitsangebot auf zwei Gründe zurückführt: auf Ausbildungsdefizite bei jugendlichen Arbeitslosen einerseits und auf verfehlte Anreizsysteme zur Arbeitsaufnahme für einen Großteil der geringqualifizierten Langzeitarbeitslosen.

Wolfgang Müller-Michaelis, aus: Wege aus der Jugendarbeitslosigkeit - Neue Gedanken zu einem alten Thema (2010)

1.7.10

 

Der Sozialstaat ist aus dem Ruder gelaufen

Mit rund sieben Millionen Hartz IV Empfängern und 20 Millionen Rentnern stehen in Deutschland am Ende des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts 27 Millionen Empfänger von Transferleistungen exakt 27 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten gegenüber. Das heißt, dass jeder sozialversicherungspflichtig Beschäftigte heute nicht nur für sich und gegebenenfalls seine Familie, sondern zusätzlich für einen Transferleistungs-Empfänger aufkommen muss.
Soweit es sich dabei um einen Rentner handelt, geht das natürlich in Ordnung, denn der hat sich im Laufe seines aktiven Arbeitslebens diesen Versorgungsanspruch redlich verdient. Handelt es sich um einen Hartz IV Empfänger, ist das nur in Bezug auf jene Minderheit der Hartz IV Gemeinde akzeptabel, die tatsächlich bedürftig ist. Für die überwiegende Mehrheit trifft das aber nur bedingt zu, auch wenn sie nach der deutschen Sozialgesetzgebung unmittelbar anspruchsberechtigt für diese Leistungen ist. Insofern tragen an der gigantische Inflationierung der Zahl der Hartz IV Empfänger nicht die Antragssteller sondern jene Sozialpolitiker schuld, die mit ihrer in der Absicht zwar gut gemeinten, im Ergebnis aber misslungenen Gesetzgebung völlig falsche Anreize gesetzt haben.

21.10.08

 

Wohlstand für alle heißt wirtschaftliche Sicherung gerade auch für die sozial Schwachen

Ludwig Erhards Entwurf der Sozialen Marktwirtschaft ist von ihm nie als marktradikales Modell im Sinne des klassischen Kapitalismus verstanden worden. Insofern sind die in der Globalisierung zunehmend außer Kontrolle geratenen internationalen Finanzmärkte den Ordoliberalen stets ein Dorn im Auge gewesen.

Die nunmehr von den führenden Wirtschaftsmächten eingeleiteten Schritte für eine globale Finanzmarktaufsicht, verbunden mit einem Ordnungsrahmen für Ratingagenturen ist der längst überfällige politische Kraftakt, um dem Regelwerk der Sozialen Marktwirtschaft auch auf den internationalen Finanzmärkten zum Durchbruch zu verhelfen. Diese notwendige Systemkorrektur sollte aber nicht zu einer Renaissance eines Staatsinterventionismus auf breiter Front verleiten.

Die Funktionsfähigkeit der Märkte gilt es genauso zu erhalten, wie der Versuchung zu widerstehen, das alles entscheidende Leistungsprinzip infrage zu stellen. Alles andere hieße, den archimedischen Punkt aus den Angeln zu heben, auf dem die soziale Kraft für "Wohlstand für alle" beruht: den Freiraum für die Leistungsfähigen, den zum Teilen erforderlichen Mehrwert überhaupt erst zu erwirtschaften, bevor er der solidarischen Einbindung auch der sozial Schwächeren zugute kommen kann.

siehe "Neue Wege zu mehr Beschäftigung" (2007)

9.3.08

 

Nicht Geld, nur Werte bringen uns weiter (3)

Das Fehlen einer öffentlichen Gegenmacht, die der Unkultur der Ausbeutung der Sozialsysteme die rote Karte zeigt, trägt mit daran Schuld, dass staatliche Reformbemühungen zur Überwindung der Krise immer wieder ins Leere laufen ... Es hat sich längst als Pferdefuß des Sozialstaates erwiesen, dass an allzu vielen Stellen Gelder in die falsche Richtung fließen. Abhilfe könnte schon ein geschärftes öffentliches Bewusstsein bringen, den Auswüchsen des grassierenden Schmarotzertums zu begegnen, das unter der Kultflagge des Anspruchsdenkens sein Unwesen treibt. Sozialhilfezahlungen an Langzeiturlauber in Florida haben so wenig mit sozialer Fürsorge zu tun, wie Politiker-Nebeneinkünfte aus leistungslosen Scheintätigkeiten und horrende Abfindungen an Manager, die in ihrem Job gescheitert sind. Zur hässlichen Seite unseres Sozialsystems gehört auch, dass Transferleistungen statt von tatsächlich Notleidenden von einer unverhältnismäßig großen Zahl von Leuten kassiert werden, denen das Gleichgewichtsempfinden von Geben und Nehmen in einem solidarischen Gemeinwesen abhanden gekommen ist.

Aus: W. Müller-Michaelis "Neue Wege zu mehr Beschäftigung"

6.3.08

 

Nicht Geld, nur Werte bringen uns weiter (2)

Sind Staatsfinanzen allein, zudem mangels Masse nicht in der Lage, die Dinge zum Besseren zu wenden, warum es dann nicht einmal mit Werten versuchen, zumal sie den Vorzug haben, frei verfügbar zu sein, wenn man sich ihrer klug bedient. Werteorientiertes Handeln kann sich gerade in den Untiefen einer aus den Fugen geratenen Welt als nützlich erweisen. Allein das Bewusstsein wieder zu wecken, dass Rechte zu beanspruchen mit der Bereitschaft zur Übernahme von Pflichten Hand in Hand gehen muss, wenn das Gemeinwesen seine soziale Balance zurückgewinnen soll, kann eine wertvolle Ressource sein, Wirtschaft und Staat auf Vordermann zu bringen.

Aus: W. Müller-Michaelis "Neue Wege zu mehr Beschäftigung"

5.3.08

 

Nicht Geld, nur Werte bringen uns weiter (1)

Große Teile der Bürgerschaft warten darauf, von der Politik nicht nur als Steuerzahler in die Pflicht genommen zu werden. Warum sollten dabei nicht christliche Werte und preußische Tugenden, die für viele noch immer Richtschnur ihres Handelns sind und insoweit eine "stille Reserve" im Kräftehaushalt der Nation bilden, stärker zum Tragen kommen?

Aus: W. Müller-Michaelis "Neue Wege zu mehr Beschäftigung"

3.3.08

 

Vorwärts, zurück zur Sozialen Marktwirtschaft!

Unbeabsichtigt und von guten Motiven geleitet haben die Epigonen Ludwig
Erhards Erfolgsmodell mehr und mehr in sein Gegenteil verkehrt und einem
schleichenden Kollektivismus preisgegeben. Auf diese Weise ist die einst auf
Förderung von Wachstum und Beschäftigung gerichtete soziale Ordnung zu einer
entwicklungshemmenden Sozialbürokratie geworden.

Aus: W. Müller-Michaelis "Neue Wege zu mehr Beschäftigung"

24.1.08

 

Politische Führung fehlt

Es ist unglaublich, aber wahr: Deutschland, das einst nicht nur in der naturwissenschaftlichen Forschung, in technologischen Innovationen und in der Entwicklung moderner Produktionstechniken sondern auch im Wirtschaftsrecht, in der Wirtschaftsstatistik und in der Erfindung des Wirtschaftsmodells der Sozialen Marktwirtschaft weltweit eine Vorreiterrolle innehatte, tut sich schwer, den Anschluss an den Trend moderner Wirtschaftsentwicklung zu halten. Nicht nur gegenüber den Nachbarn und Konkurrenten in Europa und in der westlichen Hemisphäre, sondern, was in der langfristigen Wirkung schwerer wiegt, auch gegenüber den ehemaligen Schwellenländern Südostasiens, die inzwischen in etlichen Bereichen den Dirigentenstab des globalen Wirtschaftsorchesters übernommen haben.

Mit Ressourcenknappheit, fehlenden finanziellen Mitteln oder mangelhafter Ausbildung hat die Strukturkrise in Deutschland kaum etwas zu tun. Der Virus heißt geistige Indisposition in der politischen Führung, der offenbar zu einer Wahrnehmungsblockade hinsichtlich der neuen bewegenden Kräfte in Wirtschaft und Gesellschaft geführt hat.

Aus: Neue Wege zu mehr Beschäftigung, Gräfelfing 2007

16.12.07

 

Die lange Bank, des Teufels liebstes Möbelstück

Der Immobilismus in der Reformpolitik mag durch das allseits bestaunte und dem Ansehen des Landes unbestritten zugute kommende Agieren auf weltpolitischer Bühne noch eine Weile zu kaschieren sein und die Umfragewerte der Kanzlerin auf dem erreichten Niveau halten. Aber die lange Bank, auf die derweil alles geschoben wird, ist eben doch, wie schon Martin Luther wusste, des Teufels liebstes Möbelstück.

Spätestens dann, wenn sich das Wort von Angela Merkel vom Aufschwung, der nun auch an der Basis angekommen sei, als Wunschdenken erwiesen haben wird, könnte das auf die Umfragewerte durchschlagen. Schon dürfte durch die Offenbarung des Bundeswirtschaftsministers im Bundestag, dass sich das verfügbare Realeinkommen der Privathaushalte gegenüber der Zeit des Amtsantritts der Großen Koalition bis heute vermindert habe, die Glaubwürdigkeit der Kanzlerin einen leichten Stoß erhalten haben.

Nimmt man den Erfahrungswert hinzu, dass Wahlen statt durch Pirouettendrehen auf dem Hochseil der Weltpolitik über das Portemonnaie von Otto-Normalverbraucher gewonnen werden, sollte das dem bürgerlich-liberalen Lager Anlass genug sein, seine Vertreter im Bundestag, solange es noch Zeit ist, zur Raison zu rufen.

2.12.07

 

Mindestkompetenz in der Lohnpolitik gefordert

Mit verordneten Mindestlöhnen das Lohnniveau am Arbeitsmarkt anheben zu wollen, entspricht der Illusion, dem Thermostaten zuzutrauen, die Wärme ins Zimmer zu holen. Dass die Heizung statt dessen nur mit Einsatz von Energie genauso wie in der Wirtschaft durch das unbehinderte Zusammenspiel der Kräfte auf Touren kommt, scheint in der Arbeitsmarktpolitik in Vergessenheit geraten zu sein.

Was für die Wirtschaft generell gilt, trifft auch für branchenbezogene Regulierungen zu. Sie schützen nur die Marktposition der Starken, blockieren den Marktzugang kleinerer Wettbewerber und zerstören obendrein Arbeitsplätze.

Es ist unsozial, die vergleichsweise Gutverdienenden einzuzäunen und damit die Beschäftigungschancen der Schwachen auf Null herunterzufahren sowie sie zu Lasten der Allgemeinheit aus den Sozialkassen zu alimentieren.

Auskömmliche Einkommensverhältnisse für Geringqualifizierte schafft man, wie in erfolgreichen Reformländern vorexerziert, nur durch Abbau der Regulierungen am Arbeitsmarkt, durch Freigabe von Mehrfach-Teilzeitjobs mittels belastungsgerecht zugeschnittenen Dienstleistungsschecks: für Geringqualifizierte ohne andere Einkünfte bei 12,5 Stunden Wochenarbeitszeit 400 Euro/Monat brutto gleich netto.


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